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Du oder Sie – das ist hier die Frage

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Zwei Frauen begrüßen sich mit Handschlag

Kaum eine Frage macht so viel Kopfzerbrechen, wie die nach dem Duzen oder Siezen auf Unternehmens-Websites. Gemeinhin gilt: Das Du gilt als unkompliziert, nahbar und zeitgemäß, das Sie hingegen als steif, förmlich und veraltet. Und wer will schon als nicht mehr up-to-date gelten?  

Die Zielgruppe ist entscheidend

Eine Website richtet sich vorwiegend an Kunden und an solche, die es werden wollen. Es stellt sich also immer die Frage, ob ein Unternehmen seine Kunden und Interessenten duzen will. In der Tat tun das einige bekannte Unternehmen. Allen voran IKEA. Kaum ein Unternehmen duzt seine Kunden schon so lange – nämlich seit 20 Jahren – und so konsequent und offensiv wie das schwedische Möbelbaus. Andere Unternehmen wie Adidas, Apple, Amazon oder seit 2020 auch Aldi pflegen ebenfalls das Du. 

Das hat natürlich mit der gewünschten Zielgruppe zu tun. Die genannten Unternehmen wollen vor allem junge Menschen ansprechen bzw. solche, die sich jung fühlen möchten. Aber nicht nur das. IKEA betont in seiner gesamten Kommunikation seine schwedische Herkunft, weil diese ein Sympathieträger ist. Adidas will Dynamik vermitteln, Apple Innovationsfreude und Amazon Unkompliziertheit. Alles Attribute, die durch das Duzen unterstrichen werden.

Welche Werte sollen transportiert werden?

Aber wie sieht es in den anderen Branchen aus? Im Banken – und Versicherungswesen zum Beispiel, oder im klassischen deutschen Maschinenbau, dem Gesundheitswesen, im Handwerk oder den Unternehmensberatungen? Hier gehören vor allem Werte wie Zuverlässigkeit, Langfristigkeit und Sicherheit zum Image – und damit Werte, die eher als konservativ empfunden werden, also eher der Sie-Fraktion angehören. “Wir finden mit Ihnen Ihre passende Lebensversicherung” klingt immer noch anderes als “Hej, wie wär’s mal mit einer Lebensversicherung für dich?”.

Eine Studie des Markforschungsinstituts appinio aus dem Jahr 2019, für die 4533 Deutsche im Alter zwischen 16 und 54 Jahren befragt wurden, zeigt zwar, dass es zwei Drittel der Befragten egal ist, ob sie auf Websites geduzt oder gesiezt werden, aber es mögen auch nur rund ein Drittel, wenn sie geduzt werden. Leider macht die Studie keine Unterschiede zwischen den Branchen, aber meine Erfahrung zeigt, dass gerade die eher konservativen, traditionsbewussten Communities das Siezen und Gesiezt-Werden bevorzugen.

Pragmatismus gewinnt

Hier spielt auch ein weiterer Effekt hinein. Immerhin richtet sich gerade die Kommunikation per Website, Newsletter oder auch der erste E-Mail- und Telefonkontakt an eher unbekannte Adressaten. Da hält man es am besten pragmatisch und kommuniziert anfangs höflicher und respektvoller als vielleicht nötig denn als zu forsch und womöglich respektlos. Denn es bleibt wahrscheinlicher, dass sich potenzielle Adressaten durch das Du zu plump angesprochen fühlen als dass sie es mögen. Zudem kann man ja immer noch im Laufe einer guten Partnerschaft zum Du übergehen.

Jede Anrede ist Ausdruck der Beziehung

Denn nach wie vor wird das Du als ein Zeichen von Vertrautheit, Kollegialität und weitgehend hierarchielosen Beziehungen empfunden. Frei nach dem Motto “Der Kunde ist König” steht es jedem Unternehmen gut zu Gesicht, seine Kunden im wahrsten Sinne zu hofieren. Denn genau da kommt ja auch das ganze verflixte Thema her (und da gehört es meiner Meinung im Grunde auch immer noch hin): Die Anrede spiegelt die Beziehung, insbesondere das Machtverhältnis zwischen den Sprechenden wider. Der Untergebende bzw. Rangniedere drückt seinem Herrn (!) bzw. Ranghöheren seinen Respekt aus. Und umgekehrt drückt der Ranghöhere seine Macht gegenüber seinen Untergebenden aus. 

Anmerkung am Rande: Womöglich haben sich bei Aldi & Co. diese Machtverhältnisse zwischen Anbieter und Kunde tatsächlich umgedreht. Aber das führt zu einem ganz anderen Thema.

Halten wir fest: In der Regel wird auch heute noch das Du als Ausdruck einer hierarchielosen Beziehung verstanden. Das allgemeine Du in den sozialen Netzwerken, insbesondere Facebook, Instagram, Tiktok, macht sich genau das zunutze. Aber auch bei LinkedIn und Xing geht der Trend eindeutig zum Du.

Karriere-Seiten nutzen das Du

Deshalb kann es durchaus angemessen sein, potenzielle Bewerber mit Du anzusprechen, auch wenn auf derselben Website die Kunden gesiezt werden. “Wir suchen dich”, “Werde Teil unsere Teams” oder “Bewirb dich noch heute” sind hier gängige Headlines auf den Karriere-Seiten. Warum? Weil der oder die Angesprochene ja eingeladen wird, ein Teammitglied zu werden, mit dem alle anderen Teammitglieder gerne, kollegial und weitgehend hierarchielos zusammenarbeiten möchten. Genau das soll das Du signalisieren.

Eine einheitliche Anrede ist sinnvoll

Natürlich spielt bei all diesen Überlegungen auch die Internationalisierung des Business eine große Rolle. Sie hat fast automatisch den Einfluss des Englischen bzw. Amerikanischen erhöht und oft basiert die Einführung des generellen Du als Anrede innerhalb eines Unternehmens auf dem Irrtum, dass das Du ja dem englischen You entspräche. 

Auch wenn das historisch falsch ist, macht eine einheitliche Anredeform erstmal den Umgang miteinander unkomplizierter: In der internen Kommunikation – egal ob schriftlich oder mündlich – muss nicht mehr differenziert werden zwischen Adressaten, die geduzt, und solchen, die gesiezt werden. In Meetings muss niemand mehr überlegen, ob man mit dem Kollegen doch schon mal per Du war oder die Kollegin gesteigerten Wert aufs Sie legt. 

Das Du verliert seine Exklusivität

Allerdings, und das ist nicht immer jedem und jeder bewusst, transportiert das unternehmensweit verordnete Du, eben weil es allgemein verordnet ist, nicht mehr die besondere Vertrautheit und Nähe, die ein freiwilliges, aus einem exklusiven Vertrauensverhältnis entstandenes Du vermittelt. 

Es ist daher ein Trugschluss zu meinen, ein hierarchieloses, freundschaftlich geprägtes Arbeitsklima ließe sich quasi per Fingerschnipp durch das allgemeine Du einführen. Geradezu peinlich wird es, wenn die Chefs und Chefinnen dennoch gesiezt werden wollen – als Ausdruck des Respekts vor ihnen. Ähnlich unpassend ist dann auch das Argument von Mitarbeitenden, sie legten Wert auf das “Sie, weil es dann nicht ganz so weh täte, wenn sie von ihrem oder ihrer Vorgesetzten kritisiert oder gar gekündigt würden. Auch dem liegt der Fehlschluss zugrunde, das Du bliebe ein Ausdruck von Nähe. Ist es nicht mehr. Es ist nur Konvention. 

Fazit

Auf Websites und in der allgemeinen Kundenkommunikation – schriftlich und mündlich – würde ich immer dem Sie den Vorzug geben. Aus ganz pragmatischen Gründen: Lieber etwas mehr Höflichkeit und Respekt dem Kunden gegenüber an den Tag legen als zu wenig. Ausnahmen bestätigen dabei natürlich die Regel: Wenn es dem angestrebten Image und den Bedürfnissen der gewünschten Zielgruppe entspricht, ist das Du auch okay.